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Hamburg hat sich zum Ziel gesetzt, Fahrradstadt zu werden [1]. Tatsächlich ist die Zahl der Radfahrenden von 2000 auf 2021 durchschnittlich um 80 % gestiegen [2], im ersten Halbjahr 2022 um 20% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum [3]. Allerdings wird in Hamburg aktuell immer noch nur für 15 % der Wege das Fahrrad gewählt [4], bezogen auf die zurückgelegte Strecke sind es sogar nur 5% [5].

Mit ihrer im Mai 2022 veröffentlichten “Strategie für den Rad- und Fußverkehr” hat die Stadt Hamburg eine Reihe von wichtigen Maßnahmen zur Verbesserung der Rad- und Fußinfrastruktur beschlossen. Die Stadt will das Radverkehrsnetz für verschiedene Mobilitätsbedürfnisse ausbauen und lokale Bezirksroutennetze, ein stadtweites Veloroutennetz und ein Radschnellwegenetz ins Hamburger Umland einrichten [6]. Für diesen Zweck sollen vermehrt Fahrradstraßen und -zonen eingerichtet werden [7]. Zudem sollen bis zu 10.000 zusätzliche Fahrradabstellplätze in den Quartieren [8] und Fahrradstationen an allen Hamburger Fernbahnhöfen gebaut [9] und die grüne Welle für den Radverkehr etabliert werden [10]. Bei den meisten dieser Ziele ist jedoch kein Zeitfenster angegeben, sodass zu befürchten ist, dass es weiterhin nur langsam und zaghaft vorangeht. Zwar wird erwähnt, dass in geeigneten Fällen “Radfahrstreifen im Rahmen eines beschleunigten Abstimmungsverfahrens eingerichtet werden können” [11], jedoch ist die Angabe “geeignete Fälle” bisher nicht konkretisiert worden. Würden die Maßnahmen konsequent umgesetzt, wäre dies eine deutliche Aufwertung des Hamburger Radverkehrsnetzes und der Qualität der Verbindungen.

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Hamburger:innen grundsätzlich bereit für Umstieg aufs Rad, aber…

Grundsätzlich sind rund 60% der Hamburger Haushalte, die ein Auto benutzen, für den Umstieg auf das Fahrrad bereit [12]. Wesentliche Gründe, die Hamburger:innen davon abhalten, sind laut einer repräsentativen Umfrage das fehlende Sicherheitsgefühl und schlechte Radwege sowie fehlende Abstellmöglichkeiten [13].

Weil in fast allen deutschen Großstädten jahrzehntelang eine autozentrierte Städtebau-Politik verfolgt wurde, ist Radfahren auch in Hamburg an vielen Stellen immer noch unsicher und gefährlich bis tödlich, insbesondere an Kreuzungen [14]. Hamburg hat sich zu Vision Zero, bekannt und sich demnach zum Ziel gesetzt keine Verkehrstoten und Schwerverletzten mehr beziffern zu müssen. Dies wird in ihrem Strategiepapier bekräftigt [15], welches das Ziel setzt, “sowohl objektiv sichere als auch subjektiv als sicher empfundene Verkehrsräume für alle Altersgruppen” zu gestalten [16]. Wesentlich dabei sei die “Verbesserung der Verkehrssicherheit in Knotenpunkten” [17]. Die Zahl der Todesfälle und Schwerverletzten der letzten Zeit zeigen jedoch, dass es leider an der Umsetzung hapert [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25].

Die Städte Oslo und Helsinki machen vor, wie das Ziel erfolgreich umgesetzt werden kann: Immer, wenn ein Unfall passiert, liegt es in der Verantwortung der Behörden, dafür zu sorgen, dass er sich nicht wiederholt [26]. Zwar sollen “die Ursachen für schwere Verkehrsunfälle” laut Strategiepapier weiterhin “systematisch untersucht und konsequent reduziert werden”, jedoch ist diese Vorgabe nicht rechtlich bindend. Die Unfallstatistik zeigt, dass die Stadt Hamburg zu wenig unternimmt, um das Ziel Vision Zero zu erreichen [27].

Wichtige Voraussetzungen für die Sicherheit von Fußgänger:innen und Radfahrenden sind ausreichend breite und voneinander und von Autospuren getrennte Fuß- und Radwege, geschützte Radstreifen als schnell umzusetzende Zwischenlösung und geschützte Kreuzungen nach niederländischem Muster [28]. Mobycon, ein niederländisches Beratungsunternehmen für nachhaltige Mobilität, formuliert folgende Kriterien für sichere Radwege: Es sei „von größter Wichtigkeit, Zu-Fuß-Gehende und Radfahrende effektiv vom Autoverkehr zu trennen”, dies solle „wo immer möglich – durch physische Trennung, und nicht nur durch Markierungen erreicht werden”. Bei kleineren Straßen solle eine Sperrung der Straße für den Autoverkehr, alternativ eine Sperrung für den Durchgangsverkehr und eine Vorfahrt für den Radverkehr ausgewiesen werden. Letzteres wird z.B. im Rahmen des Superblock-Konzepts umgesetzt. Bei mehrspurigen Straßen sei eine Umwidmung einer Autospur in eine Radspur die wirksamste Strategie [29]. Ebenfalls wichtig für eine signifikante Erhöhung der Sicherheit im Rad- und Fußverkehr ist die Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, insbesondere auf Hauptverkehrsstraßen.

Über die objektive Sicherheit hinaus spielt das subjektive Sicherheitsgefühl eine wesentliche Rolle für die Wahl des Fahrrads als Verkehrsmittel. Eine weltweit angelegte Studie des Ipsos-Instituts zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen subjektivem Sicherheitsgefühl und dem Anteil des Fahrradverkehrs am Gesamtverkehr [30], was darauf hindeutet, dass eine höhere Sicherheit ein wesentlicher Hebel für einen höheren Anteil des Radverkehrs ist.

Die subjektive Sicht der Radfahrenden auf die Situation in Hamburg lässt sich aus dem Fahrradklima-Test des ADFC gut ablesen, bei dem alle zwei Jahre Befragungen in rund 1.000 deutschen Städten durchgeführt werden. Die Bewertung einzelner Kriterien erfolgt anhand einer Schulnoten-Skala von sehr gut bis ungenügend. Hamburg erhält in den Aspekten Sicherheit nur den Wert ausreichend oder schlechter. Mit mangelhaft oder schlechter bewertet wurde die Breite der Radwege und damit einhergehend die Möglichkeit eines problemlosen Überholens, ihre Ebenheit sowie die Sicherheit der Radwege für junge und ältere Menschen [31]. Ebenfalls mit mangelhaft bewertet wird die Überwachung und Ahndung von falschparkenden Autos auf Radwegen.

Der Copenhagenize-Index ist ein weltweiter Index über die Qualität der Fahrradinfrastruktur und -politik in Städten, der ebenfalls alle zwei Jahre ermittelt wird und derzeit 600 Städte mit jeweils über 600.000 Einwohner:innen umfasst. Er bewertet die Städte in den drei Bereichen Stadtbild, Kultur und Ambitionen. Zum Bereich Stadtbild gehören die Indizes Fahrradinfrastruktur, -einrichtungen und Verkehrsberuhigung, zum Bereich Kultur die Indizes Geschlechterverhältnis der Radfahrenden, Modal Split, Sicherheit, Image des Fahrrads sowie der Stellenwert von Lastenrädern, zum Bereich Ambitionen die Indizes Engagement von NGOs, Stadtpolitik und -planung sowie das Angebot von Leihfahrrädern [32]. Hamburg ist im aktuellen Index von 2019 um drei Plätze zurückgefallen auf Platz 20. Bemängelt werden u.a. die immer noch autoorientierte Stadtplanung, die die Menschen davon abhalte, aufs Fahrrad umzusteigen. Früher oder später werde dem Autoverkehr zugunsten eines wachsenden Netzes von Radwegen auf der Straße Platz entzogen werden müssen [33].

 

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Die Bedeutung eines durchgängigen und unterbrechungsfreien Radnetzes

Neben der Sicherheit sind Zusammenhang und Direktheit weitere wesentliche Kriterien für die Qualität eines Radverkehrsnetzes. Das bedeutet, dass die Strecke zwischen zwei Punkten möglichst direkt und unterbrechungsfrei geführt wird, d.h. auf der ganzen Strecke, gerade auch an Kreuzungen [34], ausreichend breit und abgetrennt vom Auto- und Fußverkehr verläuft und eine durchgehend ebene Fahrbahn aufweist [35].

In der Studie Growing urban bicycle networks [36] wurde der Ausbau des Radnetzes von 62 Städten modelliert und untersucht, welche Wachstumsstrategie die effektivste ist. Die Simulationen zeigen, dass das Radnetz trotz Ausbau relativ lange unattraktiv bleibt, bis ein kritischer Punkt erreicht ist, an dem sich ein zusammenhängendes Netzwerk herausgebildet hat, welches einen größeren Teil des Stadtgebietes abdeckt. Wenn diese Schwelle erreicht ist, verbessert sich die Qualität erheblich.

Wann diese Schwelle überschritten wird, hängt von der Ausbaustrategie ab: Ein zufälliger Ausbau ist am ineffektivsten, obwohl dies die Strategie ist, die dem realen Ausbau in vielen Städten am nächsten kommt. Um die Qualitätskriterien Direktheit und Konnektivität möglichst schnell zu erfüllen, sei die Priorisierung der Einrichtung einer zusammenhängenden Netzwerkkomponente von möglichst direkten Verbindungen über möglichst lange Strecken in der ganzen Stadt die effektivere Strategie. Die Simulationen der verschiedenen Ausbaustrategien lassen sich auf der Webseite growbike.net einsehen.



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Umbau in Hamburg zu langsam und Umwidmung zu zaghaft

Die genannten Kriterien für ein gutes Radnetz zeigen: Ein schwaches Glied mindert die Qualität der ganzen Kette. Daher müssen Engpässe und unsichere Stellen schnell beseitigt werden [37]. Mit einer großflächigen Einrichtung von provisorischen Radwegen in Form von Pop-Up-Bikelanes, um diese dann später zu verstetigen, ließe sich schnell ein qualitativ hochwertiges Radnetz aufbauen und so mehr Menschen aufs Rad bringen. Leider geht der Senat dabei jedoch viel zu zögerlich vor, den weitestgehend zugunsten des Autoverkehrs verteilten Verkehrsraum neu und gerecht aufzuteilen, d.h. dem Autoverkehr großflächig Platz wegzunehmen. Eine faire, klima- und verkehrswendegerechte Neuaufteilung bedeutet die kurzfristige und großflächige Umwidmung von Fahrbahnen und Parkplätzen in Radwege, Radstellplätze, Fußwege, Parklets und Grünflächen [38]. Denn es bleibt immer weniger Zeit, die Klimaschutz- und Klimaanpassungsziele zu erreichen.

Auf einem Autoparkplatz finden zehn Fahrräder Platz. Quelle: Agora Verkehrswende, Umparken, S. 4
Abbildung 1: Auf einem Autoparkplatz finden zehn Fahrräder Platz.

Wie der Umbau zur Fahrradstadt vollzogen werden kann, zeigt u.a. die niederländische Stadt Utrecht. Dort werden heute bereits 60% aller Wege mit dem Rad zurückgelegt, auch Handwerker:innen oder Kurier:innen fahren vermehrt mit dem Lastenrad. Die Ampelschaltungen sind fahrradfreundlich, Fahrradbrücken und -unterführungen schließen Lücken, viele Straßen sind autofrei oder es gilt Tempo 30 – und Fahrräder dürfen nicht überholt werden. Eine sechsspurige Schnellstraße wurde zurückgebaut, um Platz für eine Fahrradstraße und eine Gracht zu schaffen. Am Bahnhof entstand das weltweit größte Fahrradparkhaus [39]. Utrecht ist auf dem Copenhagenize-Index in wenigen Jahren auf Platz 3 aufgestiegen, insbesondere aus dem Grund, dass die Utrechter Politik dem Fahrrad Vorrang vor dem Auto gibt. Ein erheblicher Teil des Anstiegs des Radverkehrsanteils geht auf Kosten der Autonutzung [40], die damit zwar nicht verboten, aber deutlich unattraktiver wird.

 

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Fußwege

Der Raum fürs Auto sollte auch zugunsten des Fußverkehrs zurückgebaut werden. Das Umweltbundesamt empfiehlt, zu diesem Zweck zwei Drittel der Parkplätze in den Städten zu streichen. Fußgänger:innen seien die blinden Flecken der Verkehrspolitik, so Umweltbundesamt-Präsidentin Maria Krautzberger. Sie müssten “vielfach Umwege, Wartezeiten, Lärm und Abgase in Kauf nehmen” sowie “Hohe Bordsteine, Treppen, dunkle Unterführungen, Stolperfallen und parkende Autos auf Gehwegen” überwinden [41].

Gehwege sollten ausreichend breit und frei von Hindernissen wie  Parkscheinautomaten,   Ladesäulen, Leihrollern oder parkenden Fahrrädern sein. Quelle: Agora Verkehrswende, Umpakren, S. 4
Abbildung 2: Gehwege sollten ausreichend breit und frei von Hindernissen wie Parkscheinautomaten, Ladesäulen, Leihrollern oder parkenden Fahrrädern sein

Die Hamburger Strategie für den Fuß- und Radverkehr sieht “die Schaffung fußverkehrstauglicher Straßenräume und durchgängiger Gehwegrouten” vor, “auch unter Einbeziehung von Wegen durch Grünanlagen, die attraktive Verbindungen abseits von (Hauptverkehrs-)Straßen bieten können” [42]. Schwerpunkte lägen hierbei “u.a. auf der Herstellung der Barrierefreiheit, der Vergrößerung der effektiv nutzbaren Gehwegflächen, der Verkehrssicherheit, fußverkehrsfreundlichen Fahrbahnquerungen, der fußverkehrsfreundlichen und barrierefreien Ausgestaltung von Haltestellenumfeldern, der verbesserten Erreichbarkeit öffentlicher Parkanlagen und der Erhöhung der Aufenthaltsqualität z. B. durch Verkehrsberuhigung, Fußgängerzonen, die Schaffung von Sitzgelegenheiten und eine verbesserte Grünausstattung (v. a. durch Straßenbäume)” [43]. Ferner sei “in Anbetracht des Klimawandels und immer heißerer Sommer […] Stadtgrün zur Verbesserung des Mikroklimas im Straßenraum ein wichtiger Faktor für die Nutzbarkeit von Fußwegeverbindungen” [44]. So lobenswert diese Ziele sind, auch diese wird der Senat nicht erreichen, ohne dem Autoverkehr in großem Ausmaß Platz wegzunehmen.


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Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft

In vielen Studien und mittlerweile auch Metastudien [45] [46] [47] [48] [49] wurden die Auswirkungen von Maßnahmen zum Ausbau von Rad- und Fußwegen und von Einschränkungen für den Autoverkehr auf die lokale Wirtschaft in Städten der ganzen Welt untersucht. Sie kommen zu dem Schluss:

  • Kund:innen, die zu Fuß oder mit dem Rad kommen, geben mehr aus als Leute, die mit dem Auto kommen [50] [51]
  • die Zahl der Kund:innen und der Umsatz der Geschäfte stieg nach der Durchführung der Maßnahmen [52] [53] [54] [55] [56]

Das Umweltbundesamt analysierte Fallbeispiele aus 15 Studien und Metastudien und die stellten “überwiegend positive Wirkungen auf den lokalen Handel und die Gastronomie, insbesondere hinsichtlich der Kundenfrequenz und des Umsatzes” fest [57]. Wichtig sei allerdings, eine Lösung für die Anlieferung von Waren zu finden, siehe dazu den Abschnitt Letzte Meile. Die Studien zeigen auch, dass Inhaber:innen lokaler Geschäfte regelmäßig den Anteil der Autofahrenden unter ihrer Kundschaft überschätzen und den Anteil der Radfahrenden und zu Fuß Kommenden unterschätzen [58]. Dies dürfte ein Grund für die immer wieder auftretenden Proteste vor der Durchführung von entsprechenden Maßnahmen seitens der Gewerbetreibenden sein, auch wenn sie letztlich von eben diesen Maßnahmen profitieren würden.



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Quick-Win: Pop-Up-Radwege

Die Umwidmung von Fahrspuren für Autos in Radwege kann mittels Pop-Up-Radwegen sehr kurzfristig umgesetzt werden. Dies wurde und wird in anderen Städten bereits in größerem Stil praktiziert, in Hamburg jedoch nur sehr zaghaft.

Pop-Up Bikelande am Kottbusser Damm in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg. Quelle: Frank Masurat, CC0 1.0
Abbildung 3: Pop-Up Bikelane am Kottbusser Damm in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg. Quelle: Frank Masurat, CC0 1.0, https://qimby.net/image/1561/kottbusser-damm-img-1870

Einer der ersten Pop-Up-Radwege Deutschlands wurde in Berlin am Kottbusser Damm in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg eingerichtet. Das Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS) hat die Maßnahmen wissenschaftlich evaluiert und festgestellt, dass der Radverkehr im Jahr nach Einrichtung des Radwegs um 73% zunahm. Die Stickstoffdioxidbelastung sank um 22% [59].

Die Einführung von Pop-Up-Radwegen ist eine Quick-Win-Maßnahme erster Güte, da sie fast nichts kostet, schnell durchzuführen ist und ebenso schnell Wirkung zeigt. Während die Planung und Umsetzung baulicher Radwege bis zu 10 Jahre dauern kann, können Pop-Up-Radwege innerhalb von 10 Tagen eingerichtet werden. Die Mobilitätsberatungsfirma Mobycon hat dazu eine Anleitung erstellt [60]. Das Einrichten von Pop-Up-Wegen ist rechtlich zulässig, wie ein von der Deutschen Umwelthilfe in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten darlegt [61].


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Paris als Vorbild für eine schnelle Verkehrswende

Paris setzt richtungsweisende Maßnahmen besonders schnell um: Da zur Einhaltung der Klimaziele Eile geboten ist und der Umbau der autozentrierten Infrastruktur Jahrzehnte dauern würde, hat die Pariser Stadtverwaltung Quick-Win-Maßnahmen beschlossen. Bspw. widmete die Bürgermeisterin Anne Hidalgo großflächig Fahrbahnen zu Rad- und Fußwegen um. Diese Maßnahme ist schnell und wirkungsvoll und zudem kostengünstig [62]. Die dauerhafte Sperrung der Straße am Seine-Ufer für den Autoverkehr (siehe Abb. 4) belegt einmal mehr die Regel des induzierten Nachfragerückgangs im Verkehrsbereich: Eine sinkende Straßenkapazität erhöht die Wegekosten, so dass die Nachfrage sinkt. Nach dem Rückbau der Straße verstärkte sich der Ausweichverkehr auf andere Straßen kaum, vielmehr halbierte sich das Verkehrsaufkommen [63].

Straße an der Sein, vor und nach der Sperrung für Autos. Quelle: https://twitter.com/EmmanuelSPV/status/1551596465470033922
Abbildung 4: Straße am Seine-Ufer in Paris, vor und nach der Sperrung für Autos, Quelle: https://mobile.twitter.com/EmmanuelSPV/status/1551596465470033922

Forderungen

Um die Verkehrswende voranzubringen, muss mithilfe von Pop-Up-Radwegen bzw. Radfahrstreifen mit beschleunigter Planung möglichst schnell ein unterbrechungsfreies, flächendeckendes Radnetz geschaffen werden. Außerdem müssen Fußwege überall eine Mindestbreite von 2,50 m haben [64]. Wo dies nicht der Fall ist, muss Park- und Straßenraum umgewidmet werden oder Straßen ggf. für Autos gesperrt werden. Dabei wird es unumgänglich sein, dass dem Autoverkehr Fahrbahnen entzogen werden.

Paris zeigt, dass nur eine konsequente Anwendung der im Verkehrsplanungswesen seit Jahrzehnten bekannten Regel zu Ergebnissen führt: Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Wenn Straßen zurückgebaut werden, sinkt der Autoverkehr signifikant. Wenn Radwege eingerichtet werden, steigt der Radverkehr signifikant.

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Quellen

  1. „Hamburg auf dem Weg zur Fahrradstadt“, hamburg.de, zugegriffen 13. November 2022, https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/4538548/2015-06-23-bwvi-fahrradstadt/.↩︎
  2. „Hamburgs Kfz-Verkehr 19 Prozent unter dem Niveau von 2019 – Radverkehr 23 Prozent darüber“, hamburg.de, zugegriffen 3. September 2022, https://www.hamburg.de/bvm/medien/15851018/2022-02-04-bvm-verkehrsstaerken/.↩︎
  3. Jens Meyer-Wellmann, „Verkehr Hamburg: Fahrräder werden immer mehr genutzt“, 27. Juli 2022, https://www.abendblatt.de/hamburg/article236006575/fahrrad-hamburg-verkehr-anstieg-radwege.html.↩︎
  4. „Mobilität in Hamburg“, hamburg.de, zugegriffen 3. September 2022, https://www.hamburg.de/bvm/verkehrsentwicklungsplanung/12917548/mobilitaet-in-hamburg/.↩︎
  5. „Ergebnisse der MID 2017“, Metropolregion Hamburg, zugegriffen 11. August 2022, https://metropolregion.hamburg.de/mobilitaet/12739928/mid2017/.↩︎
  6. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, hamburg.de, S. 8-15, zugegriffen 2. August 2022, https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/16177002/2022-05-17-bvm-strategie-rad-und-fussverkehr/.↩︎
  7. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 23.↩︎
  8. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 30.↩︎
  9. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 35.↩︎
  10. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 40.↩︎
  11. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 18.↩︎
  12. „Weniger als gedacht: So viele Hamburger nutzen täglich das Auto“, MOPO (blog), 12. Januar 2022, https://www.mopo.de/hamburg/weniger-als-gedacht-so-viele-hamburger-nutzen-taeglich-das-auto/.↩︎
  13. Jens Meyer-Wellmann, „Umfrage zeigt, was Hamburger am Radfahren stört“, 19. Dezember 2018, https://www.abendblatt.de/hamburg/article216054381/Umfrage-zeigt-was-Hamburger-am-Radfahren-stoert.html.↩︎
  14. Friederike Gräff, „Fahrradunfälle: Einer nach dem anderen“, Die Zeit, 26. April 2022, Abschn. Hamburg, https://www.zeit.de/hamburg/2022-04/fahrradunfaelle-lkw-hamburg-ueberfahren-verhindern/komplettansicht.↩︎
  15. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 44.↩︎
  16. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 19.↩︎
  17. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 22.↩︎
  18. n-tv, „Radfahrerin stirbt bei Unfall: Von Laster überrollt“, n-tv.de, zugegriffen 10. September 2022, https://www.n-tv.de/regionales/hamburg-und-schleswig-holstein/Radfahrerin-stirbt-bei-Unfall-Von-Laster-ueberrollt-article21698391.html.↩︎
  19. Hamburger Abendblatt- Hamburg, „Tödlicher Unfall: Zwei Radfahrer sterben nach Kollision mit Fußgängern“, 1. Juni 2022, https://www.abendblatt.de/hamburg/article235505245/polizei-hamburg-zwei-radfahrer-sterben-nach-kollision-mit-fussgaengern-unfalllucht-verkehrssicherheit.html.↩︎
  20. „Schlimmer Unfall in Hamburg: Update: Autofahrer (21) fährt Fußgänger tot – und haut ab“, MOPO (blog), 26. Oktober 2020, https://www.mopo.de/hamburg/schlimmer-unfall-in-hamburg-update-autofahrer-21-faehrt-fussgaenger-tot-und-haut-ab-37537030/.↩︎
  21. Hamburger Abendblatt- Hamburg, „Polizei Hamburg: Zwei Fußgänger angefahren – Zeugen gesucht“, 30. November 2021, https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article233980977/polizei-hamburg-fussgaenger-an-ampel-von-pkw-erfasst-tibarg-center-niendorf-garstedter-weg-schwer-verletzt.html.↩︎
  22. „Schwerer Unfall an Kreuzung in Hamburg – eine Frau schwer verletzt“, MOPO (blog), 7. Dezember 2021, https://www.mopo.de/hamburg/polizei/nettelnburg-pkw-zusammenprall-an-kreuzung/.↩︎
  23. „Radfahrer wird von Müllwagen überrollt und stirbt: 24-Jähriger vor Gericht“, MOPO (blog), 1. März 2022, https://www.mopo.de/hamburg/radfahrer-wird-von-muellwagen-ueberrollt-und-stirbt-24-jaehriger-vor-gericht/.↩︎
  24. NDR, „Von Lkw überrollt: Fußgänger stirbt in Hamburg“, zugegriffen 10. September 2022, https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Unfall-Lkw-ueberfaehrt-Fussgaenger-in-Hamburg,unfall16556.html.↩︎
  25. Hamburger Abendblatt- Hamburg, „Polizei Bergedorf: Junge (14) nach Schulwegunfall in Lohbrügge in Lebensgefahr“, 7. September 2022, https://www.abendblatt.de/hamburg/bergedorf/lohbruegge/article236361815/Lohbruegge-Junge-14-nach-Schulwegunfall-in-Lebensgefahr.html.↩︎
  26. Jessica Murray, „How Helsinki and Oslo Cut Pedestrian Deaths to Zero“, The Guardian, 16. März 2020, Abschn. World news, https://www.theguardian.com/world/2020/mar/16/how-helsinki-and-oslo-cut-pedestrian-deaths-to-zero.↩︎
  27. NDR Norddeutscher Rundfunk, „Polizei registriert mehr Verkehrsunfälle in Hamburg“, zugegriffen 13. August 2022, https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Polizei-registriert-mehr-Verkehrsunfaelle-in-Hamburg,unfallstatistik220.html.↩︎
  28. „Radentscheid Hamburg – In Hamburg dreht sich was“, zugegriffen 11. September 2022, https://radentscheid-hamburg.de/.↩︎
  29. Mobycon B.V., „Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen. In 10 Tagen mehr Platz fürs Rad in der Stadt“, 11, zugegriffen 29. Oktober 2022, https://mobycon.eu/wp-content/uploads/2020/04/6796_Kreuzberg_Handbuch-V4.pdf.↩︎
  30. „Weltfahrradtag: Sicherheitsbedenken halten Menschen vom Radfahren ab“, Ipsos, zugegriffen 17. August 2022, https://www.ipsos.com/de-de/weltfahrradtag-sicherheitsbedenken-halten-menschen-vom-radfahren-ab.↩︎
  31. ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V., „ADFC-Fahrradklima-Test 2020“, ADFC-Fahrradklima-Test, S. 4, zugegriffen 13. August 2022, https://fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse.↩︎
  32. „Copenhagenize“, zugegriffen 11. September 2022, https://copenhagenizeindex.eu/about/methodology.↩︎
  33. „Hamburg – Copenhagenize“, zugegriffen 18. August 2022, https://copenhagenizeindex.eu/cities/hamburg.↩︎
  34. ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V., „Kreuzungsdesign aus den Niederlanden“, ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V., zugegriffen 24. September 2022, https://www.adfc.de/artikel/kreuzungsdesign-aus-den-niederlanden.↩︎
  35. „Design Manual for Bicycle Traffic – CROW Platform“, 63–37, zugegriffen 17. August 2022, https://crowplatform.com/product/design-manual-for-bicycle-traffic/.↩︎
  36. Michael Szell u. a., „Growing Urban Bicycle Networks“, Scientific Reports 12, Nr. 1 (26. April 2022): 6765, https://doi.org/10.1038/s41598-022-10783-y.↩︎
  37. Mobycon B.V., „Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen. In 10 Tagen mehr Platz fürs Rad in der Stadt“, 5, zugegriffen 29. Oktober 2022, https://mobycon.eu/wp-content/uploads/2020/04/6796_Kreuzberg_Handbuch-V4.pdf.↩︎
  38. NATURSTROM AG, „So klimaschädlich ist der Platz im urbanen Verkehr aufgeteilt“, zugegriffen 13. November 2022, https://www.energiezukunft.eu/mobilitaet/so-klimaschaedlich-ist-der-platz-im-urbanen-verkehr-aufgeteilt/.↩︎
  39. tagesschau.de, „Utrecht setzt aufs Fahrrad: Auf dem Weg zur ‚Zehn-Minuten-Stadt‘“, tagesschau.de, zugegriffen 13. August 2022, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/niederlande-utrecht-verkehrspolitik-101.html.↩︎
  40. „Utrecht – Copenhagenize“, zugegriffen 11. September 2022, https://copenhagenizeindex.eu/cities/utrecht.↩︎
  41. „Umweltbundesamt fordert Parkplatz-Rückbau in Städten“, Der Spiegel, 11. Oktober 2018, Abschn. Mobilität, https://www.spiegel.de/auto/aktuell/umweltbundesamt-fordert-parkplatz-rueckbau-in-staedten-a-1232648.html.↩︎
  42. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 47.↩︎
  43. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 47.↩︎
  44. „Hamburgs neue Strategie für den Rad- und Fußverkehr“, S. 53.↩︎
  45. Carmen Hass-Klau, „A Review of the Evidence from Germany and the UK“, Transport Policy 1, Nr. 1 (1. Oktober 1993): 21–31, https://doi.org/10.1016/0967-070X(93)90004-7.↩︎
  46. Tim Whitehead, David Simmonds, und John Preston, „The Effect of Urban Quality Improvements on Economic Activity“, Journal of Environmental Management 80, Nr. 1 (1. Juli 2006): 1–12, https://doi.org/10.1016/j.jenvman.2005.01.029.↩︎
  47. E. Lawlor und M. Tasker, „The Pedestrian Pound. The business case for better streets and places“, zugegriffen 10. November 2022, https://www.livingstreets.org.uk/media/3890/pedestrian-pound-2018.pdf.↩︎
  48. Umweltbundesamt, „Aktive Mobilität“, Text, Umweltbundesamt (Umweltbundesamt, 15. März 2018), https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachhaltige-mobilitaet/aktive-mobilitaet, „Umwidmung von Verkehrsflächen – Einfluss auf die lokale Ökonomie“ (PDF).↩︎
  49. European Cyclists’ Federation, „Shopping by Bike: Best Friend of Your City Centre“, ECF, 11. Februar 2016, https://ecf.com/groups/shopping-bike-best-friend-your-city-centre.↩︎
  50. European Cyclists’ Federation, 6–7.↩︎
  51. Lawlor und Tasker, „The Pedestrian Pound. The business case for better streets and places“, 14–15, 18.↩︎
  52. European Cyclists’ Federation, „Shopping by Bike“, 7.↩︎
  53. Lawlor und Tasker, „The Pedestrian Pound. The business case for better streets and places“, 5,11-14,17-18,20.↩︎
  54. New York City Department of Transportation (NYCDOT), „Measuring the Street: New Metrics for 21st Century Streets“, 2012, https://www.nyc.gov/html/dot/downloads/pdf/2012-10-measuring-the-street.pdf.↩︎
  55. New York City Department of Transportation (NYCDOT), „The Economic Benefits of Sustainable Streets“, State Smart Transportation Initiative, 2013, https://ssti.us/2014/01/13/the-economic-benefits-of-sustainable-streets-new-york-city-dot-2013/.↩︎
  56. ifo Institut Handel, „Auswirkungen einer Anti-Stau-Gebühr auf Handel und Tourismus in München“, 2020, 18, https://www.ifo.de/publikationen/2020/monographie-autorenschaft/auswirkungen-einer-anti-stau-gebuehr-auf-handel-und.↩︎
  57. Umweltbundesamt, „Aktive Mobilität“, „Umwidmung von Verkehrsflächen – Einfluss auf die lokale Ökonomie“ (PDF), S. 5.↩︎
  58. Lawlor und Tasker, „The Pedestrian Pound. The business case for better streets and places“, 5, 28–29.↩︎
  59. Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS), „Pop-up-Radwege führen zu mehr Radverkehr und besserer Luft | Institute for Advanced Sustainability Studies“, zugegriffen 22. Oktober 2022, https://www.iass-potsdam.de/de/news/pop-radwege-fuehren-zu-mehr-radverkehr-und-besserer-luft.↩︎
  60. Mobycon B.V., „Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen. In 10 Tagen mehr Platz fürs Rad in der Stadt“.↩︎
  61. „Deutsche Umwelthilfe e.V.: Pop-up Rechtsgutachten“, Deutsche Umwelthilfe e.V., zugegriffen 2. August 2022, https://www.duh.de/pop-up-rechtsgutachten/.↩︎
  62. ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V., „Radnetze für Paris“, ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V., zugegriffen 24. September 2022, https://www.adfc.de/artikel/radnetze-fuer-paris.↩︎
  63. Charlie Sorrel, „When Paris Closed A Major Road To Cars, Half Its Traffic Just Disappeared“, Fast Company, 29. September 2016, https://www.fastcompany.com/3064157/when-paris-closed-a-major-road-to-cars-half-its-traffic-just-disappeared.↩︎
  64. FUSS e.V., „Breite: 2,50 Meter“, zugegriffen 14. November 2022, https://www.fuss-ev.de/planung-regeln-sicherheit/breite-2-50-meter.↩︎

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