Die jährlichen Kosten für das Anwohnerparken in Hamburg sind auch nach der Erhöhung auf 65 Euro zum 1.1.2022 viel zu niedrig – sie decken laut Hamburger Verkehrsbehörde nur einen Bruchteil der Verwaltungskosten [1]. Auch die Kurzparkgebühren sind in den letzten 20 Jahren deutlich weniger angestiegen als das beliebte 9-Uhr-Tagesticket des HVV [2]. Die HVV-Ticketpreise sind darüberhinaus generell vergleichsweise hoch: Eine Monatskarte für den Stadtbereich ist im bundesweiten Vergleich am teuersten [3]. Bundesweit sind seit dem Jahr 2000 die Preise für die Autonutzung um ca. 36 % und für Kraftstoffe um 50 % gestiegen, während die Nutzung der Bahn um 57 % und die des ÖPNV um 79 % teurer wurde [4]. Weder Kurzzeit- und Anwohnerparkgebühren, noch Einzel- und Zeitfahrkarten des HVV entfalten so eine Lenkungswirkung im Hinblick auf die Verkehrswende. Das zeigt insbesondere der Vergleich mit anderen europäischen Metropolen, in denen das Parken deutlich teurer und die Verkehrswende erfolgreicher ist: So kostet ein Anwohnerparkausweis in Amsterdam 535 Euro, in Riga 660 Euro und in Stockholm 827 Euro jährlich (s. Abb. 1) [5], das Kurzzeitparken in Amsterdam, Stockholm und London über 5 Euro in der Stunde (s. Abb. 4).
Kostenwahrheit
Parkplätze kosten Geld für die Einrichtung und den Erhalt. Die Kosten für die Bereitstellung eines öffentlichen Stellplatzes belaufen sich auf 1.500 bis 5.000 Euro, die Kosten für den Unterhalt auf jährlich 60 bis 220 Euro [6]. Die Bewohnerparkgebühren von jährlich 65 Euro decken also nicht einmal die direkten Kosten, geschweige denn die indirekten, externen Kosten, die durch den Autoverkehr verursacht werden (siehe Maßnahme City-Maut, Abschnitt Auswirkungen und Kosten des Straßenverkehrs). Diese Kosten werden auf die Allgemeinheit abgewälzt, auch auf die, die gar kein Auto fahren, aber von den Folgen des Autoverkehrs betroffen sind. Niedrige oder keine Gebühren verleiten zudem dazu, Autos auf wertvollen öffentlichen Flächen abzustellen und stehen zu lassen, auch wenn sie kaum gefahren werden [7].
Bewohnerparken
Seit Wegfall der Gebührendeckelung im Juli 2020 können Städte durch eine Erhöhung der Gebühren sowie durch eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftungs- und Bewohnerparkzonen zum einen die Kosten für die Bereitstellung und den Erhalt von Parkplätzen wieder einnehmen, zum anderen aber auch die externen Kosten des Autoverkehrs bepreisen, welche u.a. durch Luftschadstoffe, CO2-Emissionen, Mikroplastik durch Reifenabrieb und Unfallkosten verursacht werden und so eine Lenkungswirkung hinsichtlich einer Verschiebung des Modal Split weg vom Autoverkehr erzielen. Dafür wäre ein deutlicher Preisanstieg erforderlich [8]. Dies würde helfen, das vorherrschende Auto-Privileg abzubauen und die Allgemeinheit zu entlasten. Aber auch für Autofahrende hätte eine Erhöhung Vorteile: Anwohner:innen würden leichter einen Parkplatz finden, wodurch der Parksuchverkehr und die Anzahl an Staus ebenfalls abnehmen würden [9]. Um wirkungsvoll zu sein, muss der Betrag flächendeckend erhoben werden, um das Ausweichen des Parkdrucks auf angrenzende Gebiete zu verhindern.
Kurzzeitparken
Auch das Kurzzeitparken mit einer vorgegebenen Höchstparkdauer ist ein Mittel, um den Parkdruck und den Parksuchverkehr zu verringern [10]. Zum einen ist dies jedoch in Hamburg mit 1,50 bis 3 Euro pro Stunde viel zu günstig (s. Abb. 3 [11] und 4 [12]), zum anderen sollte es gerade bei Vierteln mit einem hohen Anteil an Gastronomie und Einzelhandel das Ziel sein, diese möglichst von parkenden und fahrenden Autos frei zu halten, um sie so zu Flaniermeilen mit hoher Aufenthaltsqualität zu machen[13]. Daher sollten die Parkplätze hier möglichst zurückgebaut bzw. umgewidmet werden (siehe Maßnahme Parkraumrückbau), damit die Leute seltener das Auto nehmen, um dorthin zu gelangen, und – wenn doch – in umliegenden Park-&-Ride-Anlagen, Tiefgaragen und Parkhäusern parken. Um dies zu erreichen, muss das Kurzzeitparken deutlich teurer sein als die Parkgebühren in den genannten Anlagen. Die verbleibenden Straßenparkplätze sollten für Menschen reserviert sein, die nachweislich auf ein Auto angewiesen sind, wie etwa Gehbehinderte, bzw. die Parkplätze als Ladezonen für Handwerker:innen, Paket- und Kurierdienste reserviert sein.
Vermeidung von Rebound-Effekten
Der Parksuchverkehr macht in deutschen Städten durchschnittlich 30% bis 50%, in manchen bis 80% des gesamten Verkehrs aus. Wenn er durch die Ausweitung der Bewohnerparkzonen und die Erhöhung der Gebühren abnimmt und der Verkehr dadurch flüssiger wird, wird es attraktiver, Auto zu fahren. Das bedeutet, dass durch die räumliche Ausdehnung und preisliche Erhöhung der Parkraumbewirtschaftung der Autoverkehr insgesamt ansteigen kann [14]. Daher muss diese Maßnahme mit weiteren Push-Maßnahmen wie einer City-Maut, Umwidmung von Fahrspuren zu Rad- und Fußwegen, Superblocks, autofreien Zonen und Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit kombiniert werden.
Arbeitgeberparken
Viele Parkplätze in Büro- und Geschäftsvierteln sind private Parkplätze, die von Arbeitgeber:innen für Beschäftigte und Gäste meist kostenlos angeboten werden, obwohl sie Kosten für die Unternehmen verursachen. Auch hier besteht ein Fehlanreiz, mit dem Auto zu kommen. Daher sollte die Stadt Hamburg Gebühren für von Arbeitgeber:innen zur Verfügung gestellte Parkplätze einführen [15]. Näheres ist unter der Maßnahme Pendelverkehr beschrieben.
Soziale Aspekte
Höhere Parkgebühren entlasten die Viertel, verringern die Emissionen und machen sie attraktiver für alle Anwohner:innen und Besucher:innen. Die Einnahmen sollten zweckgebunden für die Verbesserung von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr verwendet werden. Für Menschen mit geringem Einkommen, die auf ihr Auto angewiesen sind, kann es bei Bedarf zielgerichtete Ermäßigungen geben. Diese Gruppe ist aber sehr klein: Schätzungen zufolge sind ca. 2 % der Haushalte in Deutschland mit geringem Einkommen auf ihr Auto angewiesen und von diesen befindet sich wiederum nur ein Teil in dicht besiedelten Gebieten [16].
Wirtschaftliche Aspekte
Viele Inhaber:innen von Geschäften fürchten wirtschaftliche Einbußen durch höhere Parkgebühren. In Wirklichkeit haben diese keinen negativen Einfluss auf den Umsatz, im Gegenteil: Durch Einführung von Kurzparkgebühren finden Kund:innen leichter einen Parkplatz, da Dauerparkende verdrängt werden. Flaniermeilen ohne Autos machen die Viertel attraktiver und steigern den Umsatz. Zudem verringert sich der Geschäftsleerstand [17].
Preisgestaltung
Wichtig ist, dass sich in den Parkgebühren sowohl die tatsächlichen Kosten der Bereitstellung und des Erhalts der Parkflächen, als auch die externen sozialen Kosten, die durch den Autoverkehr verursacht werden, widerspiegeln. Des Weiteren müssen die Gebühren für Straßenparkplätze deutlich über denen in Park-&-Ride-Anlagen, Parkhäusern und Tiefgaragen liegen, damit eine Verlagerung des Parkens in diese Einrichtungen erfolgt. Um wirtschaftliche Härten für Privatpersonen und Unternehmer:innen abzufedern, ist eine nach Nutzungsgruppen differenzierte Preisgestaltung mit niedrigeren Gebühren für Gehbehinderte, Handwerker:innen und Lieferant:innen zu erörtern. Auch für Carsharing und E-Autos können reduzierte Gebühren erhoben werden, um den Anteil dieser Autos an der Gesamtflotte in Hamburg zu erhöhen [18].
Quick-Win
Forderungen
Wir fordern daher die Erhöhung der Kurzzeit- und der Anwohnerparkgebühren auf einen Betrag, der die Kosten deckt: sowohl die Kosten der Bereitstellung und Unterhaltung wie auch die externen, durch den Autoverkehr verursachten sozialen und ökologischen Kosten. Der Betrag für das Anwohnerparken sollte die von der Deutschen Umwelthilfe geforderten 360 Euro pro Jahr [21] nicht unterschreiten. Gehbehinderte sollten frei parken können. Leistungsempfänger:innen und Menschen mit geringem Einkommen sollten eine Ermäßigung erhalten. Für Handwerker:innen/Gewerbetreibende sollten Ausnahmeregelungen beibehalten werden. Die Einnahmen sollen zweckgebunden für die Verbesserung des ÖPNV sowie der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur verwendet werden. Für einen sanfteren Übergang kann die Erhöhung wie bei der City-Maut stufenweise vorgenommen werden.
Quellen
- Deutsche Umwelthilfe fordert mindestens 360 Euro Jahresgebühr für Anwohnerparken. In: Deutsche Umwelthilfe e.V., https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwelthilfe-fordert-mindestens-360-euro-jahresgebuehr-fuer-anwohnerparken/, Datum des Zugriffs: 15.08.2022.↩︎
- Warum die geplante Parkgebühr-Erhöhung in Hamburg kein Aufreger ist. In: NAHVERKEHR HAMBURG, https://www.nahverkehrhamburg.de/warum-die-geplante-parkgebuehr-erhoehung-in-hamburg-kein-aufreger-ist-191161/, Datum des Zugriffs: 15.08.2022.↩︎
- ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.: ÖPNV Ticketpreisvergleich. https://www.adac.de/reise-freizeit/ratgeber/tests/oepnv-preisvergleich/, Datum des Zugriffs: 15.08.2022.↩︎
- Preise rund ums Auto seit 2000 um 36 % gestiegen – Statistisches Bundesamt. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2018/PD18_38_p002.html, Datum des Zugriffs: 08.09.2022.↩︎
- Agora Verkehrswende: Parkraummanagement lohnt sich! https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/parkraummanagement-lohnt-sich/, Datum des Zugriffs: 14.08.2022.↩︎
- Agora Verkehrswende: Öffentlicher Raum ist mehr wert. https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/oeffentlicher-raum-ist-mehr-wert-1/, Datum des Zugriffs: 20.08.2022, S. 14.↩︎
- Agora Verkehrswende: Bewohnerparkausweise: Höhere Gebühren sind überfällig und im Interesse der Allgemeinheit. https://www.agora-verkehrswende.de/presse/newsuebersicht/bewohnerparkausweise-hoehere-gebuehren-sind-ueberfaellig-und-im-interesse-der-allgemeinheit-1/, Datum des Zugriffs: 16.08.2022.↩︎
- Umweltbundesamt: Parkraummanagement für eine nachhaltige urbane Mobilität in der Stadt für Morgen. (2021), S. 26.↩︎
- Agora Verkehrswende: Bewohnerparkausweise 2022 (vgl. Fn. 7).↩︎
- Umweltbundesamt: Parkraummanagement für eine nachhaltige urbane Mobilität in der Stadt für Morgen 2021 (vgl. Fn. 8), S. 21.↩︎
- Jessen, Elisabeth: Bewohnerparken in Hamburg – was man wissen muss. https://www.abendblatt.de/hamburg/article236675101/bewohnerparken-in-hamburg-was-man-wissen-muss-verkehr-anwohnerparken.html, Datum des Zugriffs: 15.10.2022.↩︎
- Agora Verkehrswende: Öffentlicher Raum ist mehr wert 2018 (vgl. Fn. 6), S. 15.↩︎
- Agora Verkehrswende: Parkraummanagement lohnt sich! 2019 (vgl. Fn. 5), S. 23.↩︎
- Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU): Hohe Mobilität – umweltgerechter Verkehr. https://www.umweltrat.de/cln_135/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Archiv/2005_02_pressemitteilung.html, Datum des Zugriffs: 19.08.2022, S. 268.↩︎
- Umweltbundesamt: Parkraummanagement für eine nachhaltige urbane Mobilität in der Stadt für Morgen 2021 (vgl. Fn. 8), S. 24.↩︎
- Agora Verkehrswende: Bewohnerparkausweise 2022 (vgl. Fn. 7).↩︎
- Agora Verkehrswende: Parkraummanagement lohnt sich! 2019 (vgl. Fn. 5), S. 23.↩︎
- Umweltbundesamt: Parkraummanagement für eine nachhaltige urbane Mobilität in der Stadt für Morgen 2021 (vgl. Fn. 8), S. 24.↩︎
- Agora Verkehrswende: Parkraummanagement lohnt sich! 2019 (vgl. Fn. 5), S. 18.↩︎
- Ebd., S. 25.↩︎
- Deutsche Umwelthilfe fordert mindestens 360 Euro Jahresgebühr für Anwohnerparken (vgl. Fn. 1).↩︎