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GermanZero Hamburg: Gemeinsamer Brief an den Senat

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, Sehr geehrte Frau Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, Sehr geehrter Herr Senator Jens Kerstan,

\"Der Staat ist durch das Grundrecht auf den Schutz von Leben und Gesundheit in Art.2 Abs.2 Satz 1 GG zum Schutz vor den Gefahren des Klimawandels verpflichtet.\"

Wie wichtig dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ist, haben uns die vergangenen Wochen noch mal besonders deutlich gemacht. Ob die Überschwemmungen hierzulande und bei unseren direkten Nachbarn oder die Hitzeperioden und Waldbrände in Südeuropa – die Folgen des Klimawandels werden immer bedrohlicher. Für uns alle.

Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt zusammenstehen und im konstruktiven Dialog, die Überarbeitung des Klimaschutzgesetz vorantreiben. Seine umfassende Reform muss Chef*innensache werden und in einem krisenbedingt erheblich beschleunigtem Verfahren geschehen. Jetzt ist es Zeit für den Hamburger Senat und die Bürgerschaft ihren Worten Taten folgen zu lassen.

Die unterzeichnenden Verbände sehen in folgenden Punkten des neuen Klimaschutzgesetzes dringenden Handlungsbedarf:

● Das Klimaschutzgesetz muss zu einem sozial-ökologisch transformativen Klima- und Artenschutzgesetz weiterentwickelt werden. Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit bedingen einander. Beide Ziele sind nur zusammen und gleichzeitig umsetzbar, sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Besserverdienende tragen durch ihren höheren Konsum sehr viel stärker zum Klimawandel bei, während Geringerverdienende durch dessen Folgen und die ansteigende CO2-Bepreisung stärker belastet sind. Kosten und Belastungen einer nachhaltigen Klimawende müssen nach sozialen Kriterien verteilt werden und dürfen nicht zu einer Schwächung der sozialen Infrastrukturen führen. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.

● Deshalb brauchen wir in allen Handlungsbereichen des klimapolitischen Wirkens, vom Wohnen über die Energie bis hin zum ÖPNV, eine Sozialverträglichkeit, der analog zum Klimaschutz zwingend Rechnung getragen wird. Insbesondere die Belastungen für untere Einkommensgruppen und Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen sind auszugleichen. Notwendig wäre, dass sich Hamburg auf Bundesebene dafür einsetzt, die Regelsätze der sozialen Grundsicherungssysteme anzuheben. Gleichzeitig sind alle Maßnahmen auf der Grundlage von Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit sowie Inklusion umzusetzen.

● Auch in dieser Krise zeigt sich, dass der Markt allein die Probleme nicht löst, wenn er sie nicht sogar mitverursacht. Deshalb muss der Senat in Hamburg viel stärker als bisher auf seine Möglichkeiten der ordnungspolitischen Regulatorik setzen und klare Vorgaben mit weniger Ausnahmen machen!

● Das Klimaschutzgesetz konzentriert die Ziele auf eine CO2-Reduzierung. Dabei bleibt eine Fülle anderer Treibhausgase unberücksichtigt, die es mit entsprechenden Emissionen auch in Hamburg gibt. Diese müssen einbezogen werden. Z.B. darf der Klimakiller Sulfurylfluorid ab 2022 in Hamburg nicht mehr eingesetzt werden.

● Es bedarf einer drastischen Verschärfung der CO2-Ziele, um das noch zur Verfügung stehende CO2-Budget überhaupt noch einzuhalten zu können. Wir müssen uns klarmachen, dass eine Regierung, die die Klimaneutralität erst später erreichen will, die CO2-Emissionen in Wahrheit schneller reduzieren muss. Deshalb plädieren wir für eine Reduktion der CO2-Emissionen um 80 % bis zum Jahr 2030 und um 100 % bis zum Jahr 2035, auf Grundlage des bisherigen Basisjahrs 1990.

● Das klare Bekenntnis des Bundesverfassungsgerichts zum Budgetansatz sollte zum Anlass genommen werden, für Hamburg zügig ein CO2-Restbudget für die Einhaltung des 1,5°-Limits festzulegen.

● Auf Kompensationen für Treibhausgas-Emissionen geht das Gesetz bisher nicht ausreichend ein. Kompensation für weiterhin stattfindende Emissionen dürfen nur dann für einen begrenzten Zeitraum zulässig sein, wenn bestimmte Klimabeeinträchtigungen gegenwärtig unvermeidbar sind. Generell sind sie aber zu deckeln und auf regionale Maßnahmen zu limitieren. Es muss gelten: Reduktion vor Kompensation!

● Die Zerstörung von bestehenden Ökosystemen, die als Kohlenstoffsenken und Biodiversitätsreservoirs dienen, muss stoppen. Im Gegenteil: Bereits zerstörte Ökosysteme müssen wiederhergestellt werden. Insbesondere gilt dies für Moore. Bis 2030 muss im Sinne einer Flächenkreislaufwirtschaft bei jeglicher Versiegelung von Hamburger Flächen in derselben Größe eine andere Fläche entsiegelt werden (Netto-Null). Die landwirtschaftlich genutzten Flächen in Hamburg sind bis 2025 zu mind. 30% als ökologische Landwirtschaft zu betreiben.

● Wie andere Bundesländer muss auch Hamburg konkrete Ziele für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien nennen. Wir fordern eine Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien bis 2035 und bevorzugen dabei regionale und genossenschaftliche Modelle. In der Photovoltaik sind die derzeitig geplanten Daten zum Inkrafttreten um jeweils ein Jahr vorzuziehen.

● Bei der Fernwärme muss es Ziel sein, diese bis 2035 klimaneutral zu machen, also aus der Nutzung von Kohle und Erdgas bis zu diesem Zeitpunkt auszusteigen. Bis Ende 2029 muss dieses Ziel zu 60 % erreicht sein. Entsprechend sind die Dekarbonisierungspläne der Fernwärmeunternehmen anzupassen.

● Der Energiebedarf des Gebäudebestands ist bis 2035 um 50% zu senken (Sanierungszielrate 3% pro Jahr).

● Neubau- und Infrastrukturprojekte in Hamburg sind auf ihre Auswirkungen auf das CO2-Budget hin zu überprüfen. Dabei sind auch in Zukunft erhöhte Anstrengungen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus zur Beseitigung der Wohnungsnot in Hamburg zwingend nötig, insbesondere bei den unversorgten Wohnungsnotfällen. Gebäudesanierung, Umwandlung nicht genutzter Gewerbeflächen, Aufstockungen und die Verhinderung von Wohnraumspekulation müssen dabei Priorität haben.

● Der ÖPNV ist durch Ausbau und günstige Tickets für alle attraktiver, für Bedürftige kostenfrei, zu machen. Darüber hinaus muss der öffentliche Verkehrsraum, zu Gunsten von ÖPNV, Fußgängerinnen und Radfahrerinnen neu verteilt werden. In der Stadtplanung brauchen wir einen Paradigmenwechsel um kurze Wege, Autofreiheit, Barrierefreiheit und Sicherheit ins Zentrum der Planung zu stellen.

● Auf den Aus- oder Neubau von Autobahnen ist zu verzichten.

● Als Mehrheitseigentümerin des Hamburger Flughafens muss die Stadt das bisher quantitative Wachstumsziel durch eine gemeinwohlorientierte, nachhaltige Entwicklung mit konkreten Minderungszielen ablösen. Geschehen kann dies beispielsweise durch eine konzeptionelle Zusammenarbeit der norddeutschen Luftverkehrsstandorte, durch die Verlagerung der Kurzstrecke auf die Schiene, die Reduzierung der Betriebszeiten und die Beendigung des Ausbaus, der Erweiterung und Kapazitätssteigerung.

● Die Subventionen der Stadt sind auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu überprüfen und auszurichten und ggf. zu beenden.

● Tatsächlich ist Hamburg, anders als andere Bundesländer, nicht in der Lage, zeitnah die Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahmen zu prüfen (z.Zt. liegt die abschließende CO2-Bilanz Hamburgs für 2018 als neueste vor!). Deshalb muss Hamburg ein konkretes, jährliches und zeitnahes Monitoringverfahren festschreiben, dass die Erreichung der Klimaziele und die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen umfasst und den Fortschritt zeitnah öffentlich transparent macht.

● Wie andere Bundesländer muss Hamburg Zuwiderhandlungen gegen Klimaschutzgesetz und Klimaplan sanktionieren.

● Den Sorgen der Beschäftigten um den Verlust ihres Arbeitsplatzes in bestimmten Branchen steht bereits jetzt ein massiver Fachkräftemangel in anderen Branchen, beispielsweise der Gebäudesanierung entgegen. Dem ist durch ein Konversionsprogramm mit deutlichen Anstrengungen in der Aus- und Weiterbildung zu begegnen.

● Letztendlich ist also festzuhalten, dass wir einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel brauchen, der sich folgenden Fragen widmet: Was ist - auch über den Klimaschutz hinaus - innerhalb der planetaren Grenzen möglich? Was brauchen wir wirklich, um sozial gerecht einen grundlegenden Wohlstand für alle zu befördern?

● Damit die sozial-ökologische Transformation gelingen kann, ist eine systematische Bürger*innenbeteiligung unabdingbar.

Die dieses Schreiben unterzeichnenden bzw. unterstützenden Verbände sehen Ihrer Reaktion, Frau Fegebank, Herr Tschentscher, Herr Kerstan mit Spannung entgegen. Lassen Sie uns gemeinsam, die notwendigen Schritte zur Problemlösung einleiten, damit wir für uns, unsere Kinder und zukünftige Generationen eine lebenswerte Zukunft ermöglichen und entsprechend der historischen Verantwortung Hamburgs, als bedeutender Industrie- und Hafenstandort auch für die globale Klimagerechtigkeit handeln.

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